Sy Montgomery: Das Geschenk des Kolibris


Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Stefanie Schäfer
Diogenes, 2024, 128 Seiten, 18 Euro

Der Kolibri ist ein Vogel der Superlative – es ist der einzige Vogel, der schweben kann, er ist im Vergleich zu seinem Körpergewicht am schnellsten und im Verhältnis zu seiner Grösse der am weitesten ziehende Zugvogel. Er ist unvergleichlich zart, unfassbar hungrig, unglaublich kampfbereit. Brenda, erfahrene Vogelretterin, nimmt sich (mal wieder) zweier verlassener Kolibriküken an, wenige Tage alt und nicht größer als Hummeln. Sy Montgomery, Naturforscherin und Schriftstellerin, wird eingeladen, zu helfen. Und darüber schreibt sie. Von dem Brutkasten, in dem die Vogelgeschwisterchen leben, von der mühseligen Fütterungsprozedur, von der Artenbestimmung nach einigen Tagen, von den ersten Flugversuchen und schließlich der Freilassung.
Der leichte, soghafte und poetische Text zeugt von einer wunderbaren Beobachtungsgabe, es gelingt der Autorin, die Leser*innen ganz nah an den Brutkasten und später in den schönen, bestäuberfreundlich angelegten Garten mitzunehmen, in dem die Kolibris ihre ersten Flugversuche machen. Die Aufregung wird fast körperlich spürbar, wenn Maya das erste Mal den schützenden Käfig verlässt und dann stundenlang nicht mehr gesehen wird oder wenn Zuni sich kurz darauf den Flügel verdreht. Aber alles geht gut aus. Die beiden ziehen bald gen Mexiko. In zauberhaften Beschreibungen vermittelt Sy Montgomery viel Interessantes und Wissenswertes über Kolibris, zum Beispiel, dass sie im Ruhezustand 250 Mal pro Minute atmen und ihr Herz im gleichen Zeitraum 500 Mal schlägt. Oder dass der leichteste Kolibri keine 2 Gramm, der schwerste gerade mal 24 Gramm wiegt. Oder dass die Atzteken glaubten, Kolibris seien wiedergeborene Krieger. Es macht große Freude, dieses Buch zu lesen. (Katharina Bischoff)

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