Rowohlt Berlin 2024, 399 S., € 25,-
Zusammenhänge logisch herzuleiten und für Fassbares und Unerklärliches Wörter zu finden. Damit wächst André als Kind einer DDR-Intellektuellenfamilie in Potsdam auf, bei der die Stasi durch den seltenen Telefonanschluss quasi mit am Küchentisch sitzt. Beim Vater stimmt die Herkunft, aber bei seiner Mutter passt nichts. Obwohl Sozialistin und gewordene DDR-Bürgerin sprengt sie als stilbewusste Laotin aus der Oberschicht jeden Rahmen. Schon als Kind registriert André seismographisch, wo und wie sie aneckt und was seine Eltern sich als Überlebensstrategien einfallen lassen. Auch er verlässt meist mit tiefgezogener Kapuze das Haus. Ein Leben als Drahtseilakt, dem mit er mit List und Abnabelung zu begegnen versucht. Wie in einer dokumentarischen Zeitmaschine nimmt der Autor uns mit in seine eigene Kindheit und Jugend. Es bleibt aber nicht bei einem atmosphärisch genauen Erinnerungsroman. Mit einem Twist rückt Kubiczek die Perspektive seiner schwerkranken Mutter ins Zentrum, was ihr Lebensdilemma eindrücklich fühlbar macht. Da ist ganz viel Zartheit im Spiel. (Stefanie Hetze) Leseprobe