Martin Muser, Sabine Kranz (Illustr.): Die Feuerwehr kommt nackig her

Carlsen 2023, 64 S., € 9,-, ab 6

Erstlesegeschichten sind eine wirklich knifflige Angelegenheit … sprachlich dürfen sie nicht überfordernd sein, aber eben auch nicht langweilig. Im besten Falle machen sie Lust auf Geschichten und motivieren mit Lektüre-Erfolgserlebnissen zum Weiterlesen. Martin Muser – Autor der von uns heiß geliebten dreibändigen Reihe „Kannawoniwasein“ – debütiert hier in diesem Genre. Und wie! Entstanden ist die als Kettenreaktion und gereimt erzählte, turbulente Geschichte eines Feuerwehreinsatzes. Das Ganze kommt als immer länger werdender Kettensatz in Erzählschleifen daher. Klingt kompliziert? Nein! Die Kinder lesen wieder und wieder, ergänzt um jeweils neue Details ähnliche Sätze. Das Wiedererkennen der Wörter hilft enorm beim Lesen. Die sehr lustigen Illustrationen von Sabine Kranz ergänzen wunderbar und helfen, der Geschichte auch auf der Bildebene zu folgen. Und mit einer Überraschung am Schluss erfahren wir schließlich doch noch, warum die Feuerwehr zu dem Haus rast, in dem Mika wohnt. (Jana Kühn)

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PS: Aus der thematisch sehr breit aufgestellten, neuen Erstleser*innen-Reihe „Einfach Lesen Lernen“ des Carlsen Verlags haben wir weitere, ebenfalls empfehlenswerte Titel im Sortiment.

 

Lara Schützsack: Derselbe Mond

Fischer Sauerländer 2023, 176 S., € 15,-, ab 11

Bis vor kurzem war Magdalenas Lieblingsort einfach zwischen ihren beiden besten Freund*innen Sofia und Flip. Doch seit dem Sommer ist alles anders. Sofia möchte endlich einen Jungen küssen. Flip wiederum schminkt seine langen Wimpern und sonnt sich in begehrlichen Blicken. Außerdem hängen alle Coolen nur noch im Skaterpark an der Pipe ab, wo die immer gleichen Typen für ihre Tricks angehimmelt werden. All das langweilt Magdalena, dazugehören möchte sie trotzdem. Sie fühlt sich ständig dazwischen, immer mit dem Druck, sich für das eine oder andere entscheiden zu müssen. Auch in ihrer Familie, wo sie seit der Trennung der Eltern regelmäßig zwischen die Fronten gerät. Genau deshalb würde Magdalena am liebsten wie früher die Tage mit Sofia und Flip im Baumhaus verbringen. Doch in letzter Zeit tauschen die beiden ständig geheimnisvolle Blicke und wollen sowieso nur an die Pipe. Als dort eines Tages die Blaue mit struppigen Haaren und schrägen Klamotten auftaucht, werden die Karten neu gemischt. Lara Schützsack beschreibt Magdalenas widersprüchliche Gefühlswelt mit großem Wiedererkennungswert für junge Lesende und auch Eltern könnten von ihrem verständnisvollen Blick einiges lernen. Bereits ihr mehrfach ausgezeichneter Roman Sonne, Moon und Sterne leuchtete einfühlsam und leichtfüßig die Gefühlswelten von Heranwachsenden aus. Zwischentöne und Auslassungen verdichten auch die Erzählweise des neuen Buchs zu einer literarischen, ja poetischen Sprache, die viel Raum lässt für eigene Gedanken. (Jana Kühn) Leseprobe

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Maria Bakhareva, Anna Desnitskaya (Illustr.): Märkte in aller Welt

Aus dem Russischen von Thomas Weiler, Gerstenberg 2023, 80 S., € 26,-, ab 8

In Zeiten gigantischer Supermärkte und Lieferservices nach Hause sind Orte, an denen Menschen sich treffen, um Lebensmittel direkt zu verkaufen und einzukaufen, für Kinder oft Terra incognita. Dieses großformatige wimmelige Sachbilderbuch, das neben zwei Märkten in Hamburg und München, berühmte Märkte, Basare und Hallen aus verschiedenen Ländern und Kontinenten vorstellt, lädt Kinder und Erwachsene ein, sich mit allen Sinnen in das vielfältige Marktgeschehen zu stürzen. Jede Menge Lebensmittel gibt es zu entdecken, Rezepte regen zum Kochen und Ausprobieren neuer Gerichte und Gaumenfreuden ein. Ein paar Begriffe in den verschiedenen Sprachen lassen sich lernen, Preise für Obst, Snacks usw. einordnen, die verschiedensten Einkaufsgewohnheiten anschauen – kurzum ein pralles tolles Buch, in dem es viel zu entdecken gibt und Lust macht, selbst einmal einen Wochenmarkt zu besuchen und / oder in der Gruppe sich über die Märkte, die die Kinder kennen, auszutauschen. Blick ins Buch

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Nils Mohl: Wilde Radtour mit Velociraptorin

Mit Illustrationen von Halina Kirschner. Mairisch Verlag 2023, 56 S., € 20,-, ab 4

Am Anfang ist die Arbeit des Autors anstrengend. Der Kopf braucht Abwechslung, also ab aufs Rad und schon geht es von A nach B und auf nach C! Dort im dritten Kapitel taucht nun auch die Velociraptorin auf, eine menschhohe Dinodame, die mit auf wilde Radtour geht und sogar ein Radrennen gewinnen will. Dabei rollen die beiden sprachspielerisch und poetisch durch das Alphabet und über Fahrräder lernt man auch noch jede Menge. Aber alles zu seiner Zeit, bzw. im passenden Alter. Oder wie Mohl & Kirschner es im kleinen Vorwort auch selbst formulieren: Kann man wissen, muss man aber nicht, und am wichtigsten ist, dass die Geschichte gefällt! Die jüngsten Zuhörer*innen finden sicherlich vor allem Gefallen am lautmalerischen Erzählton, für ältere Kinder sind die technischen Details bestimmt schon wieder spannend. Die tollen Illustrationen im wunderschön gestalteten Band als Sonderfarbendruck in knalligem Grün und Pink machen Lust auf den Frühling und endlich wieder Radtouren. Eine Empfehlung für Dino-Fans, Fahrrad-Begeisterte, ABC-Lernende, Sprachverliebte und die ganze Familie! (Jana Kühn) Blick ins Buch

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Britta Teckentrup: Die Schaukel

Prestel 2023, 160 S., € 25,-, ab 5 und für alle

Schaukeln macht richtig Spaß. Es kann hoch hinaus gehen, beinahe himmelhoch lässt es sich fliegen, aber auch das Fallen ist nahe. Und dann sind noch die anderen, die auch alle gerne schaukeln wollen. . . Die Künstlerin Britta Teckentrup hat eine Schaukel oberhalb eines Meeres gezeichnet und Jahre voller Freuden, Begegnungen und Stimmungen an diesem besonderen Ort festgehalten, der sich ständig verändert. Kindern kommen zum Toben und Spielen, Jugendliche zum Flirten und Nachdenken, Erwachsene zum Nachdenken und gesellig Sein. Tiere begegnen sich dort, das Wetter, die Tageszeiten ändern sich, auch nagt die Zeit an ihr. Pflanzen und Gestrüpp wuchern sie zu, bis ein Vater, der sich an diese Schaukel aus seiner Kindheit erinnert, sie mit seinem Kind wieder davon befreit. Menschen kommen hinzu und reparieren sie, bis endlich wieder auf ihr geschaukelt werden kann! Ein stimmungsvolles illustriertes Buch zum immer wieder Anschauen, Gedanken nachzuhängen und miteinander über das Leben zu philosophieren. (Stefanie Hetze) Blick ins Buch

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Corey R. Tabor: Pips fliegt

Aus dem Amerikanischen von Ebi Naumann, Thienemann 2023, 40 S., € 15,-, ab 4

Das Eisvogelmädchen Pips ist sich sicher: Heute findet ihr erster Flug statt. Salto hopp und los! Grandios, wie Corey R. Tabor das Entsetzen und die verzweifelten Versuche von Eichhörnchen, Bienen und Spinnen einfängt, um Pips vielleicht doch noch zu retten. Doch Pips saust nach unten! Doch aufgepasst, hier kommt der Clou: Hat Pips im Sturzflug die Mitte des Bilderbuches erreicht, muss es gedreht werden. Und hoppla: Pips fliegt ja! Aus dem scheinbaren Fallen wird ein stolzer Aufstieg, den nun alle Bewohner des Baumes überschwänglich beklatschen. So simple wie genial – in der Idee der Buchgestaltung, vor allem mit einer selbstbewussten Bilderbuchheldin, die Mut macht und begeistert! (Jana Kühn)

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Thomas Harding & BrittaTeckentrup (Illustr.): Das alte Haus an der Gracht

Aus dem Englischen von Nicola Stuart. Jacoby & Stuart 2023, 48 S., € 22,-, ab 8

Das Anne-Frank-Haus an der Prinsengracht in Amsterdam, das zwei Jahre lang Anne Frank und ihrer Familie Schutz bot, ehe ihr Versteck verraten und sie von den Nazis deportiert und ermordet wurden, ist der Protagonist dieses besonderen Sachbilderbuchs. Die detailreichen, zeitlich verorteten Bilder und der präzise, aber einfühlsame Text erzählen aus der Perspektive des Gebäudes dessen wechselhafte Geschichte und die seiner unzähligen Bewohner:innen. So entsteht für Kinder unmittelbar nachvollziehbar ein geographischer und historische Kontext für die Gewalt, die Anne Frank angetan wurde, der im ausführlichen Anhang vertieft wird. Nach Haus am See lädt der neueste Geniestreich des Duos Thomas Harding und Britta Teckentrup Kinder und Erwachsene ein, Dinge und Ereignisse in Zusammenhängen zu begreifen und sich darüber auszutauschen.

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Noemi Schneider & Golden Cosmos (Illustr.): Ludwig und das Nashorn

Eine philosophische Gute-Nacht-Geschichte. NordSüd 2023, 40 S., € 18,-, ab 4 und für die ganze Familie

Genial dieses hinreißende Bilderbuch! In seinem nur von einer schwachen Lampe beleuchteten Zimmer entdeckt ein Kind neben sich auf dem Bett ein riesiges freundlich-dreinblickendes Nashorn. Der Vater glaubt nicht, dass ein Nashorn im Kinderzimmer sei und versucht, dies zu beweisen, indem er überall nachschaut und seiner Ansicht nach auch keines findet. Doch sein Sohn Ludwig und die das Buch anschauenden Kinder wissen es besser und entdecken sofort die vielen Nashornverstecke. Ludwig versucht, seinem begriffsstutzigen Papa auf die Sprünge zu helfen, der immerhin einsieht, dass der Mond da ist, obwohl sie ihn in diesem Moment nicht sehen können. Doch beim Nashorn Fehlanzeige, da bleibt er stur.
Inspiriert von Ludwig Wittgensteins Philosophie hat Noemi Schneider eine einfache wie komplexe Geschichte verfasst, die einlädt, schon mit den Jüngsten über das, was ist oder sein kann, zu debattieren. Die leuchtenden Bilder aus dem nächtlichen Kinderzimmer des Siebdruckkünstlerduos Golden Cosmos, einfach eine Augenweide, regen an, noch mehr zu entdecken. Ein riesiger Spaß zum immer wieder Anschauen und darüber Sprechen! (Stefanie Hetze) Blick ins Buch

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Maja Ilisch: Unten

Dressler 2023, 304 Seiten, € 16, ab 10

Kann eine Geschichte Erinnerungen an Momo und Alice im Wunderland wecken, so erwachsene Geschichten wie 1984 und Schöne Neue Welt zitieren und dennoch einen ganz eigenen Erzählton für junge Leser:innen treffen? Oh ja! Man stelle sich vor, die eigene Erlebniswelt sei räumlich auf ein Punkthochhaus bzw. wenige Etagen darin begrenzt. Von einigen Fenstern aus sind in der näheren Umgebung andere Hochhäuser zu sehen. Doch dort kommt man nie hin – man kommt überhaupt nie raus. Der eigene Radius beschränkt sich auf farblich markierte Etagen. Protagonistin Nevo beispielsweise wohnt in Etage Zinnoberrot, Wohnung Nr. 4. Ihr Alltag in den Gängen und Etagen ist streng reglementiert: nicht rennen, nicht rumlungern – de facto ist alles untersagt, was Kindern Spaß macht. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss nach Unten. Dies ist nicht nur als gesellschaftlicher Abstieg verpönt, sondern auch mit großen Ängsten verbunden. Niemand weiß, was unten genau passiert, aber es soll gefährlich sein … Als Nevos Freundin Juma jedoch versehentlich in einem Wäscheschacht nach unten fällt und spurlos verschwindet, macht sich Nevo auf den Weg durch unendliche Gänge, Schächte und Treppenhäuser. Ein Haus, das in all seiner Begrenztheit zu einer ganzen hermetischen Welt mit einem Oben und einem Unten wird – aber wo ist Anfang, wo Ende? Dunkel, spannend, packend, gleichzeitig sehr smart und absurd komisch zieht Maja Ilisch ihre Leser:innen geradezu sogartig immer tiefer ins Treppenhaus und seine Geheimnisse! (Jana Kühn) Leseprobe

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Ole und Hans Könnecke: Hört sich gut an

Hanser 2022, 112 S., € 20,-, ab 5

Ole und Hans Könnecke, Vater und Sohn, Illustrator und Komponist haben ein tolles, unterhaltsames wie kundiges, sehens- wie hörenswertes Sammelsurium von Akkordeon bis Vibrafon gestaltet. Bilder und Texte sind – ganz Ole Könnecke – sehr, sehr lustig und versammeln eher kuriose Fakten, für die sich auch schon Kinder im Kita-Alter begeistern können, beispielsweise, dass eine Tuba auseinandergewickelt 4m lang ist. Die dazugehörigen Musikstücke sind mit einer knappen Minute lang genug, um einen wirklichen Eindruck des variantenreichen Klangs eines jeden Instruments zu vermitteln, um bei der Tuba zu bleiben von warm und gemütlich bis zu beinah bedrohlich. Schauen und lesen plus per QR-Codes eigens komponierte Hörbeispiele? Wow: Hört sich gut an! (Jana Kühn) Blick ins Buch

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