Für  alle, die gerne mit ihrer Großmutter über Quanten geplaudert hätten …

Thomas de Padova: Quantenlicht, Hanser 2024, 432 Seiten, 28 Euro

Unvergessen wie De Padova seiner Großmutter die Physik erklärte. Die Szene in dem Roman Nonna – übrigens eine unserer Lieblingsperlen – ist kurz, jetzt hat er sie ausgebaut, könnte man sagen. Der Physiker De Padova nimmt uns mit in die atemberaubende Welt der Quanten und erzählt uns von dem legendären Jahrzehnt der Physik vor 100 Jahren entlang von Begegnungen ihrer Protagonist*innen. Abstraktes wird durch den erzählerischen Blick auf die denkenden Menschen mit einem mal sehr greifbar. Die Nonna hätte ihre Freude an diesem Buch gehabt. (kf)

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Für alle, die gerne in Bilderwelten eintauchen …

Vincent Lemire & Christophe Gaultier (Illustr.): Jerusalem, Jacoby & Stuart, 256 Seiten, 32 Euro, ab 14

Ein Olivenbaum auf dem Ölberg ist der klug gewählte Erzähler dieser fulminanten Geschichte einer Stadt. In zehn Kapiteln, als großformatig und lebendig gestaltete Graphic Novel sowie vor allem in großer kulturhistorischer Kenntnis erzählen Vincent Lemire und Christophe Gaultier die erstaunliche 4000jährige Geschichte der Wiege und des Herzens des Christentums, des Judentums und des Islams zugleich.

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Für alle, die feine Ironie zu schätzen wissen . . .

Anšlavs Eglītis: Schwäbisches Capriccio. Aus dem Lettischen von Berthold Forssman, Guggolz 2024, 299 Seiten, 25 Euro

Ein Intellektueller, 1944 aus Riga geflohen, landet per Zufall in einem kleinen Ort auf der Schwäbischen Alb. Zwei Welten, zwei Mentalitäten prallen aufeinander, die des heimatlosen kultivierten Stadtmenschen und die der alteingesessenen kleinstädtischen Provinzler, die trotz Krieg und Nationalsozialismus eigentlich alles machen wie bisher. Das sorgt für ordentlich Reibung, die der Autor in bitterbösen Episoden genüsslich zelebriert. Bei aller Absurdität, die ihm begegnet, verhehlt er aber auch nicht sein staunendes Anerkennen der schwäbischen Widerstandskraft. Dieses Spiel zwischen Bodenständigkeit und Anarchie sowie zwischen Überheblichkeit und Angewiesensein ist vergnüglich zu lesen und gleichzeitig voller Widerhaken. (Stefanie Hetze)

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Für  rotgekleidete Frauen & ihre Freund*innen …

Lisette Lombé: Brennen. Brennen. Brennen, aus dem Französischen von Odile Kennel | zweisprachig Französisch/Deutsch | Assoziation A 2024 | 144 Seiten, 18 Euro

Frau, Tochter, Mutter, Rebellin, diskriminierter Körper, Mensch sein. Ertragen, trauern, kämpfen, älter werden, sich befreien, verlangen. Lisette Lombé findet in dem Gedichtband Worte, die frau gesucht und nicht gefunden haben mag. Viele dieser Worte sind richtig schmerzhaft. Das Brennen als Metapher des Lebens tut trotzdem richtig gut. In klaren, schmucklosen und dennoch funkelnden Versen erzählt die belgische Nationaldichterin über steife Regeln, die durchbrochen werden können, über leidenschaftliches Begehren und gibt den Vergessenen und den Ausgegrenzten eine starke, ehrliche Stimme. (gs)

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Für gemütlich lange Wintertage der Jüngsten …

Jolan C. Bertrand & Chevallier Gambett (Illustre.): Die Winterschwestern, Thienemann, 224 Seiten, 18 Euro, ab 9

Dunkel und kalt waren die Winter im hohen Norden schon immer. Doch seit die große Winterschwester nach ihrer geliebten kleinen Winterschwester sucht, schickt sie in ihrer Verzweiflung erbarmungslos eisige Schneeschauer und klirrenden Frost in die Welt. Der kleine Alfred kennt es gar nicht mehr anders, ein ausgesprochen fröhliches Kind ist er dennoch. Als sein Onkel sich auf den Weg macht, die Winterschwestern wieder zu vereinen, erhält Alfred die Prophezeihung seinen Onkel auf dem gefährlichen Weg beschützen zu müssen. Und so stapft der Junge seinem Onkel mutig durch die tief verschneiten Wälder hinterher … eine Seherin, eine magische Füchsin und diebische Trolle begleiten ihn – doch wem kann er trauen? Skandinavische Mythologie in Eis & Schnee, modern und atemberaubend spannend erzählt, kunstvoll grafisch gestaltet – was für ein schaurig-schöner Winterschmöker!(jk)

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Für alle, die an Statistik gegen rechts glauben

Katapult/Correctiv: 100 Karten über Rechtsextremismus, Katapult 2024, 200 Seiten, 26 Euro

Manche Dinge muss man sehen, um ihre Tragweite wirklich zu verstehen. Die 30 573 Lügen des Donald Trump auf einer Doppelseite, zum Beispiel. Oder die Visualisierung der Antwort, wie viel seltener Anfragen für ein Fußballprobetraining beantwortet wurden, wenn der  Antragsteller einen fremd klingenden Namen hatte? Neben dem gewohnt politisch und gestalterisch hochpräzisen Kartenmaterial gibt es gewichtigen Text zu lesen. 100 Karten über Rechtsextremismus – eines der wirklich probaten Mittel gegen die Sprachlosigkeit im
Malstrom des rechten Populismus. (kf)

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Für alle, die dem Leben mit Humor begegnen …

Joachim Meyerhoff: Man kann auch in die Höhe fallen, Kiepenheuer&Witsch, 368 Seiten, 26 Euro

In einer tiefen Lebenskrise flieht Joachim Meyerhoff aufs Land zu seiner betagten Mutter, die allein einen riesigen Garten bewirtschaftet. Als toughe alte Dame duldet sie bei ihrem „lieben Sohn“ kein Selbstmitleid, spannt ihn im Gegenteil unermüdlich mit Arbeitsaufträgen ein. Äußerst unterhaltsam kombiniert der Autor gnadenlose Demaskierungen seiner eigenen Befindlichkeit mit grotesk-liebevollen Stories seiner Theatererlebnisse. Königin des Romans ist aber seine unnachahmliche Mutter, der er damit eine hinreißende Liebeserklärung gemacht hat. (sh)

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Für alle, die sich für Biografien begeistern …

Marco Meier: IngeFeltrinelli. Das erste Leben, aus dem Italienischen von Julika Brandestini und Verena von Koskull, Rowohlt 2024, 348 Seiten, 28 Euro

In der mitreißenden Biografie geht es nicht um Inge Feltrinelli als Frau des berühmten Verlegers. Ihr eigenes Leben als Inge Schönthal, die in der männerdominierten Medienwelt der 1950er erfolgreiche Self-made-Fotoreporterin wird, steht ganz im Fokus. Aus Gesprächen, Tagebüchern, Kalendern und Fotos schuf der Autor ein fesselnd zu lesendes Porträt dieser außergewöhnlichen Frau. Ingemaus stürzte sich geradezu ins Leben. Hindernisse waren dazu da, überwunden zu werden. Mit Unerschrockenheit, Charme und Kontaktfreude ging sie ihren besonderen Weg. (sh)

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Für alle, die sich im Kartenlesen besonders gut erden können …

Christian Grataloup: Die Geschichte der Erde – ein Atlas, C.H. Beck 2024, 320 Seiten, 38 Euro

Globale Geschichte(n) erzählen, das kann Christian Grataloup. In 300 Karten geht der „Historiker unter den Geografen“ und sein 30köpfiges Expert*innenteam erneut den Wechselbeziehungen von Mensch und Erde auf den Grund. Geopolitische Verwicklungen spielen wieder die entscheidende Rolle, diesmal jedoch nicht mit Fokus auf die Zivilisationsgeschichte, sondern mit Blick auf vermeintlich unbeeinflussbare Naturgesetze. Inwieweit auch hier die Gegenwart des Menschen einen Unterschied macht: Smartphone abschalten, im Sofa versinken auf Weltreise gehen! (kf)

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Für alle, die ahnen, dass es auch früher schon Frauen gab …

Emma Southon: Eine Geschichte des Römischen Reiches in 21 Frauen, aus dem Englischen von Rita Gravert & Caroline Weißbach, Aufbau Verlag 2024, 495 Seiten, 28 Euro

Emma Southon ist Punk in der britischen stiff-upper-lip Academia. Die Historikerin schlägt einen unbekannten Ton an und ungewohnte Wege ein. Virtuos schlägt sie Bögen, die von der einstigen Sklavin, späteren Millionärin Hispala Faecenia der Römischen Republik bis zu Marina Abramovics Performance Rhythm 0 von 1974 reichen können. Southon erzählt uns nicht nur marginalisierte Heldinnengeschichte(n), sie spricht auch von den Täterinnen und zeigt uns, wie sehr das vorherrschende Bild der Antike vom Fehlen weiblicher Macht, Wut und Entschlossenheit geprägt ist. (kf)

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