Erzählungen. Aus dem Russischen übersetzt und mit einem Nachwort von Rosemarie Tietze, Hanser Verlag 2021, 272 S., € 24,-, TB dtv 2023, € 14,-
(Stand Februar 2024)
Was für ein Autor! Lange Zeit vergessen, ist Gasdanow nun dank des Hanser-Verlags endlich Werk für Werk auf Deutsch zu entdecken. Nach einer Reihe Romane hat die preisgekrönte Übersetzerin Rosemarie Tietze hier nun 9 Erzählungen ausgewählt, die zwischen 1927 und 1960 veröffentlicht wurden.
Gasdanow gehörte zum „Russischen Montparnasse“, junge russische Autoren, die erst im französischen Exil zu schreiben begannen und sich hierbei eher an Proust oder Joyce orientierten als an den russischen Klassikern. Sie wurden auch als die „unbeachtete Generation“ bezeichnet, denn ihre Werke erschienen in Frankreich auf Russisch und waren einer größeren Leserschaft oft nicht bekannt.
Gasdanows Geschichten erzählen von Exilanten, die sich neu erfinden müssen, schlecht Fuß fassen oder es zu unerwartetem Reichtum bringen, immer in der Leere zwischen der verlorenen alten und der nicht als einer solchen empfundenen neuen Heimat gefangen. Sie kreisen um ihre Erinnerungen oder ihre Verzweiflung, leben von Selbstbetrug, sind verletzlich, zynisch oder ohne Illusionen.
Es ist große Literatur, voll schmerzlicher Leichtigkeit und Schönheit, mit psychologisch feinfühlig gezeichneten Charakteren, die uns gefangen nimmt, zeitlos und gleichzeitig hochaktuell, angesichts des nicht abreißenden Stroms ins Exil gezwungener Menschen auch heute. (Syme Sigmund) Leseprobe