Juan Gabriel Vásquez: Das Geräusch der Dinge beim Fallen

Aus dem Spanischen von Susanne Lange. (Schöffling Verlag 2014), 296 S., Fischer TB 11,-

(Stand März 2021)

das-geraeusch-der-dinge-beim-fallen_dante_connection_danteperleKolumbien 2009, der Jura-Professor Antonio stolpert über eine Zeitungs-Notiz, die vom verwaisten Zoo des ehemaligen Drogenbarons Pablo Escobar erzählt. Die Lektüre ruft einen Sog der Erinnerung wach, an seine Billard-Bekanntschaft mit Ricardo Laverde, an einen gemeinsamen Spaziergang in Bogotá, auf dem Laverde ermordet und der Erzähler selbst schwer verwundet wird. Erinnerung an seine Suche nach den Puzzlestücken der Vergangenheit, die ihn unter anderem zu abgestürzten Flugzeugen und zurück in die von Gewalt geprägten 80er und 90er Jahren führt, ihn aber auch auf eine Liebesgeschichte zwischen einer Amerikanerin und einem Kolumbianer stoßen lässt und auf Laverdes Tochter Maya. Nach und nach erschließen sich die Zusammenhänge, zugleich erkennt Antonio, wie sehr das Leben von Dingen bestimmt wird, die wir selbst nicht in der Hand haben. Ein sehr intensives Buch, spannend und nachdenklich zugleich, das eine bestimmte Zeit und Gesellschaft mit den persönlichsten Fragen verknüpft, mit einer starken Erzählstimme und Bildern, die immer wieder überraschen und uns einen neuen Blick auf die Dinge werfen lassen, die uns jeden Tag umgeben. (Judith Krieg)

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Stewart O’Nan: Die Chance

Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. (Rowohlt Verlag 2014), 224 S., Rowohlt TB € 9,99

(Stand März 2021)

die_chance_danteperle_dante_connectionDer Titel “Die Chance” verharmlost die ausweglose Lage, in der sich das Mittelschichtsehepaar aus der Provinz befindet. Die Wirtschaftskrise hat Marion und Art wie Millionen anderer Amerikaner den Boden  unter den Füßen weggezogen. Marion ist arbeitslos und der Statistiker Art hat seinen Job bei einer Versicherung verloren. Das überteuerte Haus können sie nicht länger abzahlen. Auch ihre Ehe ist am Ende.  Da alles verloren scheint, setzen sie ihre Existenz auf eine einzige Karte  und wiederholen ihre Hochzeitsreise zu den romantisch aufgeladenen Niagarafällen von vor 30 Jahren, als ihnen die Welt noch offen zu sein schien. Mit ihrem letzten über die Grenze geschmuggelten Geld mieten sie sich in einer Hochzeitssuite ein, spielen tags die Touristen und versuchen nachts im Casino die statistische Wahrscheinlichkeit ihres kompletten Ruins auszutricksen. Stewart O’Nan nähert sich ihrer Verzweiflung, aber auch ihrem über alle Differenzen langjährigen Vertrautsein in knappen verdichteten Szenen und Dialogen, von Thomas Gunkel elegant-subtil übersetzt. Vielleicht gibt es ja doch eine Chance? (Stefanie Hetze)

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Robert Seethaler: Ein ganzes Leben

Hanser Berlin 2014, 192 S., € 19,-, Goldmann TB € 11,-

(Stand März 2021)

ein_ganzes_leben_danteperle_dante_connectionAndreas Egger kommt als Kind in das Dorf im Gebirge, zum Bauern Kranzstocker, dem Schwager seiner verstorbenen Mutter. Und er arbeitet von Kindesbeinen hart auf dem Hof, später am Ausbau der Seilbahnen. Er heiratet und verliert seine Frau bald, übersteht die Kriegsjahre in Russland und kehrt wieder zurück in die Berge. Dort erlebt er die Modernisierung, erkennt die Welt nicht immer wieder, aber verliert sich selbst nicht. Wie ein widerständiger Baum wird er von den Ereignissen des Lebens geformt. Robert Seethaler beherrscht die Kunst, Dinge einfach erscheinen zu lassen, er erzählt diese Geschichte in ruhigem Rhythmus und Ton, auch die traurigsten Ereignisse sind wie sie sind. Wie aus einem Stück Holz geschnitzt nimmt Andreas Egger klar, kantig und überzeugend vor den Augen der Leser Form an, man kommt ihm nahe, aber auch nicht zu nahe, stets behält er seine Würde. Ein Buch, das in Erinnerung bleibt, auch wegen seiner Naturbeschreibungen. (Judith Krieg) Leseprobe

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Leonardo Padura: Ketzer

Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein, TB Unionsverlag 2015, 656 S., € 16,95

(Stand März 2021)

00_Padura_Ketzer.inddIn einem Londoner Auktionshaus steht die Versteigerung eines Gemäldes Rembrandts an. Der US-Amerikaner Elias Kaminsky erkennt in dem Bild die geheimnisumwobene und in Kuba verloren geglaubte Reliquie seiner jüdisch-polnischen Familie wieder. So viel zur Ausgangssituation, womit drei wichtige Themen dieses Prachtschmökers genannt sind: Kuba, Kunst und Glaubensfragen. Padura mäandert durch Zeit und Raum, springt vom 17. ins 21. Jahrhundert, von Amsterdam, Krakau und Berlin nach Havanna und zurück. Dabei gelingt ihm das Paradestück eines Historien- und Künstlerromans über das goldene Zeitalter der Niederlande und den Maler Rembrandt verknüpft mit eindrücklichen Einblicken in die kubanische Geschichte im 20. Jahrhundert bis in das heutige, von der Revolution ausgelaugte Land und – die dramatische Geschichte einer jüdischen Familie, die noch 1939 versucht aus Deutschland zu fliehen und deren Hoffnung zu überleben an eben jenes Gemälde geknüpft ist. So viel auf einmal – das geht nun wirklich nicht? O doch, und wie! (Jana Kühn)

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Guy de Maupassant: Stark wie der Tod

Mit Illustrationen von Jim Avignon, übersetzt von Caroline Vollmann, Edition Büchergilde 2013, 296 S., € 24,95

(Stand März 2021)

stark_wie_der_tod_danteperle_dante_connectionWer unsere Plauderstunde mit dem Berliner Pop-Art-Künstler Jim Avignon zur 16. Langen Buchnacht in der Oranienstraße verpasst hat, dem sei hier nun noch einmal ganz offiziell dieser Klassiker der französischen Gesellschaftsliteratur aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert wärmstens ans Herz gelegt – zum Selberlesen oder auch als wunderschönes Geschenk. In all den Genrebeschreibungen Guy de Maupassants der damaligen Pariser Noblesse, Salon- und Künstlerwelt ist dieser Roman nämlich vor allem eine zeitlos anmutende, gänzlich unmoralistische Geschichte über die Liebe, das Alter und das Reifen wie Altern der Liebe im endlosen Prozess des Infragestellens der eigenen Person und des Anderen. Maupassant überrascht mit seinen wertfreien Beobachtungen, die das sensible Porträt und Psychogramm einer sich immer dramatischer zuspitzenden ménage à trois zwischen der Gräfin Any de Guilleroy, ihrem geheimen Geliebten, dem Maler Olivier Bertin, und Anys Tochter Anette bilden. Mit den famosen Illustrationen von Jim Avignon erhält der Text darüberhinaus eine komplett neue und obendrein beglückende Ebene, welche die Zeitlosigkeit des Textes wunderbar hervorhebt. (Jana Kühn) Leseprobe

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Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah

Aus dem Englischen von Anette Grube, (S. Fischer Verlag 2014), 608 S., Fischer TB  € 14,-

(Stand März 2021)

21-adichie_americanahIfemelu und Obinze verlieben sich noch während ihrer Schulzeit in Lagos. Eine überraschende Entschlossenheit füreinander verbindet das selbstbewusst kluge Mädchen mit dem etwas draufgängerisch beliebten Jungen. Die lähmende Perspektivlosigkeit in Nigeria lässt Ifemelu schließlich ihre Heimat verlassen: sie studiert in den USA. Jahre später verlässt auch Obinze das Land und lebt illegal in London. Einfühlsam und bewegend begleitet Adichie ihre Protagonisten auf den sehr unterschiedlichen Lebenswegen. Ifemelu schreibt einen Aufsehen erregenden und kritischen Blogg zum Thema als Schwarze in den USA zu leben und den damit einhergehenden alltäglichen Rassismus. Obinze erfährt viel Demütigung, wird abgeschoben und steigt final zu einem erfolgreichen Geschäftsmann in Nigeria auf. Nach vielen Jahren treffen die beiden in Lagos wieder aufeinander, und alles und nichts ist, wie es vorher war. Ein politisches, ein anregend nachdenkliches, auch ein romantisches, vor allem ein mitreißendes Buch! (Jana Kühn)

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Daniel Woodrell: In Almas Augen

Aus dem Englischen von Peter Torberg, Liebeskind 2014, 192 S., € 16,90

(Stand März 2021)

40-woodrell_almasaugen“Wenn ich alles auspacke, was ich über die Explosion in der Arbor Dance Hall weiß, dann gibt es Lynchmorde von hier bis St.Louis.”, sagt Sheriff Adderly. Und nicht nur er schweigt lieber zur Tragödie des Sommers 1929, bei der 42 Menschen zu Tode kommen, viele schwer verletzt werden und ein ganzer Ort in stumme Trauer fällt. Wie zäher Nebel hängt das Schweigen über der kleinen Stadt. Nur Alma hört nicht auf unbequeme Fragen zu stellen. Sie hat ihre Schwester in den Flammen verloren und sucht jahrzehntelang nach den Schuldigen –  macht sich unbeliebt, verliert ihre Arbeit, ihre Söhne, wird eingewiesen und ausgegrenzt. Ihrem Enkel wird sie schließlich berichten, was sie weiß. Stück für Stück nur, aus vielen Perspektiven und mit jeder Seite fesselnder eröffnet Woodrell den Blick auf die wahren Geschehnisse. Dabei erzählt er in vielen kleinen, fast skizzenhaften Episoden ein großes amerikanisches Kleinstadtpanorama im Wandel des letzten Jahrhunderts. (Jana Kühn). Leseprobe

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Yasmina Reza: Glücklich die Glücklichen

Aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel, Hanser 2014, 176 S., € 17,90, Fischer TB  € 9,99

(Stand März 2021)

Pariser Bürgerliche. Keiner sticht heraus. Yasmina Rezas neuer Roman hat viele Protagonisten, die in einem Erzählreigen kurzer Episoden aufeinander treffen, auseinander gehen und immer wieder zusammen finden. Sie sind miteinander verwandt, sie sind befreundet, sie kennen sich nur vom Sehen oder über drei Ecken. Sie lieben und vertrauen einander, betrügen und langweilen sich trotzdem. Sie haben es geschafft, sind beruflich erfolgreich – und immer wieder einsam in all ihrer Verbundenheit. Vielleicht mag man den einen oder die andere lieber. Vertraut und bekannt kommt einem so manches vor – denn nichts Menschliches ist Reza fremd. Sehr genau schaut sie hin und jede noch so kleine Gefühlsregung leuchtet sie schonungslos aus. Das ist manchmal bitter, macht aber auch jede Menge Spaß – denn die kleinen und großen Dramen des Alltags werden mit Rezas erzählerischer Distanz und Ironie herrlich vorgeführt. (Jana Kühn)

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Zadie Smith: London NW

Aus dem Englischen von Tanja Handels, Kiepenheuer & Witsch 2014, 432 S., € 22,99, Goldmann TB € 11,-

(Stand März 2021)

london_nw_danteperle_dante_connectionIn ihrem neuen Roman schreibt Zadie Smith über das Leben in London North-West, wo sie selbst aufgewachsen ist –  der Stadtteil Kilburn, ein Arbeiterbezirk und ein Schmelztiegel der Kulturen. Vier Protagonisten wählt sie, die sich schon aus Kindertagen kennen, die befreundet waren oder sind und die sehr unterschiedliche Wege gewählt haben, “um etwas aus ihrem Leben zu machen”. Zadie Smith unterzieht sie einer Art Lebensinventur und Bestandsaufnahme  – nun als gestandene Mittdreißiger. Wer sind sie? Oder vielmehr wie sind sie geworden? Für jeden Charakter findet sie eine eigene stimmige Erzählsprache. Sie experimentiert dafür stilistisch wie formal, und was anfangs etwas künstlich wirkt in all seiner sprachlichen Verdichtung, zieht einen immer stärker in den Bann. Ein Roman voller tragikomischer Momente, den man spätestens ab Seite 50 nicht mehr aus der Hand legen mag.

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Mohsin Hamid: So wirst du stinkreich im boomenden Asien

Aus dem Englischen von Eike Schönfeld, (Dumont 2013), 224 S., Dumont TB 2015, € 9,99

(Stand März 2021)

hamid-so-wirst-du-stinkreich-im-boomenden-asien_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzberg“Zieh in die Stadt”, “Verschaff dir Bildung”, “Verlieb dich nicht” – so lauten die ersten drei Kapitelnamen dieses wunderbaren Romans aus Pakistan, der einerseits Entwicklungsroman ist,der die Geschichte eines Jungen aus ärmlichsten Verhältnissen erzählt, der im Laufe seines Lebens tatsächlich stinkreich wird. Verpackt ist diese Geschichte andererseits, und wie die Kapitelnamen andeuten, im Gewand eines Selbsthilfebuches. Alles zielt hin zum Erfolg des großen Geldes und zwar um jeden Preis und mit allen Mitteln, heißt von Manipulation über Korruption bis hin zu Gewalt. Darüberhinaus liest sich der Roman als eine anrührende Liebesgeschichte und als Gesellschaftssatire über das heutige Pakistan. Und dank des turbulent tragikomischen Erzähltons jagt man mit dem Protagonisten durch ein ganzes Leben im boomenden Asien, in dem das Geld dann eben doch auch nicht alles ist. (Jana Kühn) Leseprobe

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