Aus dem Amerikanischen von Uda Strätling, Fischer Verlag 2016, 320 S., TB 2018, € 11,-
(Stand April 2021)
Literatur kann uns im Glücksfall in Welten und Wahrnehmungen katapultieren, die wir nicht kennen und zu denen wir sonst keinerlei Zugang haben. „Gilead“ ist so ein Fall. In einem kleinen Ort im tiefen amerikanischen Westen schreibt ein alter protestantischer Geistlicher, der weiß, dass er bald sterben wird, einen langen Brief an seinen kleinen Sohn, um diesem zu erzählen, woher er kommt. Der alte Prediger schildert seine Kindheit als Sohn und Enkel von ebenfalls Pastoren, der eine heftig engagiert im Kampf gegen die Rassentrennung, der andere Pazifist. Er beschreibt das Verhältnis zu seinem atheistischen Bruder und zu seinem Predigerfreund und den herben Verlust, den er durch den Tod seiner ersten Frau und seiner neugeborenen Tochter erlitten hat. Kunstvoll verbindet Marilynne Robertson seine Reflexionen über den Glauben und existentielle Fragen des Seins mit den vitalen Geschehnissen der Gegenwart, die hier nicht verraten werden. Nur noch so viel: Die Geschichte der Mutter des Jungen, seiner zweiten Frau, ist bereits erschienen – „Lila“, auch unbedingt lesen. (Stefanie Hetze)